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30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Wie klimasicher ist die Energieversorgung in Deutschland?

Die Energieversorgung in Deutschland steht derzeit stark in der Diskussion, allerdings vorrangig mit dem Fokus auf der vermehrten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und den langfristigen Konsequenzen der Energiewende.

© svedoliver/fotolia

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Welche Auswirkungen in den kommenden Jahrzehnten von einem sich ändernden Klima auf die Energieversorgung ausgehen werden, wird dagegen kaum einmal erwogen. Dabei könnten häufigere Extremwetterereignisse Stromleitungen und den Transport von Energierohstoffen gefährden und veränderte Wasserstände der Flüsse die Verfügbarkeit des Kühlwassers für Kraftwerke verringern. Steigende Temperaturen senken den Bedarf an Wärmeenergie in den Wintermonaten, erhöhen aber auch die Nachfrage nach Kälte im Sommer.

Die Sicherung der Energieversorgung ist für die deutsche Wirtschaft von höchster Bedeutung. In einer Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus dem Jahr 2011 wurde der Sicherung der Energieinfrastruktur und -versorgung als wichtigste Aufgabe unter den Vorsorgeleistungen des Staates genannt, die für ein unbeeinträchtigtes Arbeiten auch im Klimawandel benötigt werden (Abbildung 1). Die Aufrechterhaltung der Energieversorgung wird damit als noch wichtiger eingestuft als die Nutzbarkeit von Verkehrswegen.

Abbildung 1: Vorsorgeleistungen des Staates für Klimawandel (Angaben in Prozent),Quelle: IW-Umweltexpertenpanel 4/2011 Befragung von 172 Umweltexperten der Wirtschaft im September 2011

Abbildung 1: Vorsorgeleistungen des Staates für Klimawandel (Angaben in Prozent),Quelle: IW-Umweltexpertenpanel 4/2011 Befragung von 172 Umweltexperten der Wirtschaft im September 2011

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Analyse der Energieversorgung

Die Analyse der Energieversorgung im Klimawandel muss im Grunde zwei Perspektiven beinhalten (siehe hierzu detaillierter: Bardt, Biebeler und Haas, 2013): die Stufen des Produktionsprozesses einerseits und die dabei verwendeten Energieträger andererseits. Stein- und Braunkohle, Erdöl und Erdgas müssen gewonnen und transportiert werden. Für die Stromproduktion muss Energie umgewandelt und an die Orte des Endverbrauchs geleitet werden. Auch bei der Energiegewinnung aus Sonne, Wasser und Wind werden Leitungsnetze benötigt, um Aufkommen und Bedarf zur Deckung zu bringen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat deshalb zu jedem Rohstoff Experten aus der Wissenschaft sowie ergänzend Vertreter von Energieversorgern befragt. Sie wurden gebeten, die klimawandelbedingten Chancen und Risiken entlang der Wertschöpfungskette zu beschreiben. Diesen Beschreibungen sollte daraufhin ein Wert auf einer Ratingskala zugewiesen werden.

Die Antworten ergeben, dass der Klimawandel für die Gewinnung fossiler Rohstoffe Chancen und Risiken in vergleichbarer Größe bedeutet. Hingegen stehen bei der Produktion von Biomasse die wachsenden Witterungsrisiken im Vordergrund. Auch der Transport zur Energieumwandlung oder zum Verbraucher ist überwiegend mit Risiken behaftet. Nicht ausreichend verfügbares Kühlwasser und teilweise bei hohen Temperaturen weniger effiziente Kraftwerke bergen für die Stromerzeugung ein weiteres Risiko, das mit dem Klimawandel wachsen wird. Schließlich wird die Elektrizitätsübertragung bei höheren Temperaturen weniger effizient, und Schnee und Stürme stellen ein weiteres Risiko für die Strommasten und -leitungen dar. Weisz und andere (2013) zeigen anhand einer auf Kraftwerksstandorte- und -typen bezogenen Untersuchung, dass das Aufkommen von Elektrizität aus Wasserkraft stärker zurückgehen dürfte als aus thermischen Kraftwerken. Hingegen dürfte die Stromerzeugung aus Windkraftanlagen durch den Klimawandel deutlich wachsen. Sie zeigen ferner eine Abschätzung steigender Beiträge der Holzproduktion für die Energieversorgung.

Bei der Beurteilung der Folgen sollte zwischen der Energieversorgung generell und der Elektrizitätsversorgung im Speziellen unterschieden werden. Zu berücksichtigen sind dabei die sich wandelnden Anteile der Energieträger: Neben den erneuerbaren Energien wird Erdgas eine wachsende Rolle im Energiemix spielen, Kohle eine deutlich geringere. Stärker als bei der Energieversorgung im Allgemeinen werden die erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung eingesetzt. Bei der Elektrizität gibt es also die größeren Veränderungen.

Bei der Energieversorgung im Allgemeinen sind die Verfügbarkeit der Rohstoffe und der Transport von besonderer Bedeutung. Hinzu kommen anteilig die weiter unten beschriebenen Besonderheiten der Stromerzeugung und der Verteilung über Stromnetze. Geringe klimawandelbedingte Veränderungen bei der Verfügbarkeit der Rohstoffe und begrenzte Risiken beim Transport führen insgesamt zu einem geringen Risiko durch den Klimawandel, der durch die Verschiebungen beim Energiemix nur unwesentlich verstärkt werden (Abbildung 2). Die Chancen- bzw. Risikowerte für die einzelnen Energieträger gehen dabei mit ihrem jeweiligen Anteil am Energiemix in den Klimarisiko-Indikator ein. Die Beiträge aller Energieträger zusammen können im Maximum den Wert von plus oder minus 100 Prozent annehmen.

Abbildung 2: Klimarisiko-Indikator für die deutsche Stromerzeugung 2008 und 2030  Gesamtwert auf Skala von -100 (höchstes Risiko) bis +100 (größte Potenziale des Klimawandels)  sowie Risikobeiträge der einzelnen Energieträger, Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Abbildung 2: Klimarisiko-Indikator für die deutsche Stromerzeugung 2008 und 2030 Gesamtwert auf Skala von -100 (höchstes Risiko) bis +100 (größte Potenziale des Klimawandels) sowie Risikobeiträge der einzelnen Energieträger, Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

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Bei der Stromversorgung schlagen vor allem zwei Aspekte stärker zu Buche: die Kühlwasserproblematik bei der Energieumwandlung in thermischen Kraftwerken und die höhere Gefährdung des Leitungsnetzes. Bei der Energieumwandlung kommen den erneuerbaren Energien Sonne und Wind und bei kleinen und mittleren Anlagen auch der Biomasse gegenüber den fossilen Energieträgern Vorteile zu, da sie kein Kühlwasser benötigen.

Bezogen auf die künftige Zusammensetzung der Stromerzeugung wird das Risiko mit dem fortschreitenden Klimawandel insgesamt steigen (Abbildung 3). Dabei werden die Risiken für Kernenergie und Steinkohle aufgrund der geringer werdenden Anteile an der Stromerzeugung sinken, während die Risiken für Erdgas, Biomasse und Windenergie steigen werden. Mit dem heutigen Strommix wären die Risiken unwesentlich höher als mit den erwarteten neuen Anteilen.

Abbildung 3: Klimarisiko-Indikator für die deutsche Energieversorgung 2008 und 2030,  Gesamtwert auf Skala von -100 (höchstes Risiko) bis +100 (größte Potenziale des Klimawandels)  sowie Risikobeiträge der einzelnen Energieträger, Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Abbildung 3: Klimarisiko-Indikator für die deutsche Energieversorgung 2008 und 2030, Gesamtwert auf Skala von -100 (höchstes Risiko) bis +100 (größte Potenziale des Klimawandels) sowie Risikobeiträge der einzelnen Energieträger, Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

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Ein moderates Übergewicht der Risiken gegenüber den Chancen bedeutet jedoch nicht, dass hier unausweichlich Verletzlichkeiten entstehen, denn den höheren Risiken kann mit Maßnahmen begegnet werden – etwa der Ausstattung von Kraftwerken mit Kühltürmen (Koch et al., 2012). Damit lässt sich verhindern, dass erwärmtes Kühlwasser, welches wieder in Gewässer eingeleitet wird, diese Gewässer in heißen Sommern mit eventuell zusätzlich geringen Wasserständen zu sehr erhitzt. Es gilt also, geeignete Anpassungsmaßnahmen wie Kühltürme, Verstärkungen und Redundanzen im Leitungsnetz sowie technische und organisatorische Lösungen zur Stärkung des europaweiten Stromtransports zu ergreifen, um die Verletzlichkeit zu verringern. Dabei handelt es sich um eine Investitionsentscheidung, bei der Kosten, vermiedene Schäden, Eintrittswahrscheinlichkeiten von Schäden sowie Finanzierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Gerade niedrige Eintrittswahrscheinlichkeiten sprechen oft gegen Anpassungsmaßnahmen oder für eine Versicherungslösung. Eine gute Datenlage, wie sie von der Klimaforschung auch kleinräumig erstellt werden kann, ist für die Anpassung an den Klimawandel somit von herausragender Bedeutung, auch für eine sichere Energieversorgung.

Autor
Autoren Biebeler
Dr. Hendrik Biebeler
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen

Quellen