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15.08.2016

Extreme Ereignisse Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Flusshochwasser in Deutschland

Hochwasser gehören weltweit zu den bedeutendsten Naturgefahren. So stellte beispielsweise das Hochwasser im August 2002 mit ca. 12 Mrd. € Schäden die bisher teuerste Naturkatastrophe in Deutschland dar. Und dennoch - schon Goethe erkannte um 1829: «Die Natur versteht gar keinen Spaß, sie ist immer wahr […] und die Fehler und Irrtümer sind immer die des Menschen.»

© Martina Topf/Fotolia - Elbhochwasser 2002

© Martina Topf/Fotolia - Elbhochwasser 2002

Hochwasser – selbst sehr seltene – sind natürliche Ereignisse, die es zu jeder Zeit gegeben hat und die es auch zukünftig immer wieder geben wird. Sie stellen demzufolge zunächst eine „Naturgefahr“ dar, deren Auswirkungen aber z.B. durch zunehmende Siedlungsdichte und die zunehmende Verwundbarkeit sozialer und technischer Systeme anthropogen verstärkt werden kann. Sie können regional zu krisenhaften und überregional zu katastrophalen Situationen führen, wenn z.B. größere Verluste an Menschenleben und große materielle Schäden auftreten bzw. wenn die Struktur einer Gesellschaft solchen Gefährdungen ausgesetzt ist, dass sie wesentliche Funktionen nicht mehr sichern kann.

Um auf zukünftige Hochwasser vorbereitet zu sein, gilt es, aus den Vergangenen zu lernen und – insbesondere – mit dem Risiko leben zu lernen. Ein Risikomanagement funktioniert jedoch nur dann zuverlässig, wenn bereits vor einem Ereignis die möglichen Gefahren hinreichend bekannt sind und man sich auf diese vorbereiten kann. Um die Auswirkungen von Hochwasser auf den Menschen und seine Umwelt zu quantifizieren, müssen Eintrittswahrscheinlichkeit und Intensität möglicher Ereignisse abgeschätzt werden. Vor dem Hintergrund der globalen Erderwärmung muss zudem die Frage gestellt werden, ob sich die Häufigkeit und Stärke von Hochwasserereignissen verändern.

Hochwasserentstehung in Deutschland

Hochwasser sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels zwischen meteorologischen und hydrologischen Prozessen sowie verschiedener Gebietseigenschaften. Dabei gibt es regionale und jahreszeitliche Besonderheiten in der Hochwasserentstehung. Winterereignisse werden zum großen Teil durch zyklonale Westwetterlagen hervorgerufen. Diese Strömungsformen gehen oft mit einer flächendeckenden Überregnung großer Teile des Bundesgebietes einher, wobei insbesondere in den Mittelgebirgen mit entsprechenden Staulagen größere Mengen an Niederschlag fallen. Zweitens sind mit dem Durchzug dieser Fronten häufig auch Warmlufteinbrüche verbunden. Hochwasser entstehen allerdings erst dann, wenn die Niederschläge entweder auf eine bestehende Schneedecke oder auf weitestgehend gesättigte bzw. gefrorene Böden treffen. Im ersten Fall erhöht sich durch das schnelle Abschmelzen des Schnees die Menge des abfließenden Wassers und im zweiten Fall fließt der Niederschlag direkt ab, da die Infiltrationsfähigkeit des Bodens nicht gegeben ist. So führten bspw. Anfang Januar 1995 anhaltende Regenfälle, wassergesättigte Böden im Flachland und die gleichzeitige Schneeschmelze in den Mittelgebirgen zu einem der schwersten Hochwasser der Vergangenheit am Rhein. Ein Spezialfall im Winter sind durch Eisstau erzeugte Hochwasser, wobei diese in der jüngeren Vergangenheit durch die starke Stauregulierung der Flüsse sehr selten geworden sind.

Im Sommer werden Hochwasser oft durch Extremniederschläge ausgelöst. Lokal sind dies größtenteils Gewitterzellen welche zu sturzflutartigem Hochwasser führen. Großräumige Sommerereignisse sind häufig die Folge so genannter Vb-Wettersysteme. Dies sind Tiefdruckgebiete, welche auf ihrer Zugbahn über das Mittelmeer große Mengen an Feuchtigkeit nach Mittel- und Osteuropa transportieren, wo sich diese insbesondere an den Nord- und Osträndern der östlichen Mittelgebirge als Starkregen entladen. Im Alpenbereich findet zudem eine Überlagerung mit der im Mai/Juni einsetzenden Schneeschmelze statt.

Hochwasserregime und Trends

Lange Zeitreihen von Abfluss- und Niederschlagsmessungen an vielen Stationen in Deutschland und beobachtete Wetterlagen in Europa stellen die wichtigste Quelle zur Analyse der Hochwasserentstehung und –gefährdung dar. Werden die Hochwasser und die sie auslösenden Wetterlagen der letzten 50 Jahre nach ihrer Auftretenshäufigkeit, Stärke, Datum des Auftretens und den Trends in den Zeitreihen untersucht, kann Deutschland in drei verschiedene Regionen eingeteilt werden (Beurton & Thieken, 2009; Petrow et al. 2009):

  1. Der Rhein mit seinen Zuflüssen, die westliche Weser, südliche Ems sowie die nördlichen Zuflüsse der Donau weisen ein durch Winterhochwasser geprägtes Regime auf. Dabei können sowohl in der Häufigkeit als auch in der Stärke eine Zunahme der Winterhochwasser nachgewiesen werden. Sommerhochwasser spielen eine untergeordnete Rolle und zeigen kaum Trends auf.
  2. Dem westlichen Regime verwandt ist das Hochwasserregime weiter Teile der Ems, östlichen Weser und Elbe. Auch diese Gebiete werden in der Mehrzahl durch Winterhochwasser bestimmt, allerdings mit einer Verschiebung des Maximums hin zum Frühjahr. Sommerhochwasser spielen zudem eine etwas bedeutendere Rolle. In diesem Regime nehmen ebenfalls die Winterhochwasser zu, allerdings kann für die Häufigkeit der Sommerhochwasser eine deutliche Abnahme innerhalb der letzten Jahrzehnte festgestellt werden.
  3. Deutlich abgesetzt von den wintergeprägten Regimen findet sich im Alpenbereich (Donau und südliche Nebenflüsse) ein durch Sommerhochwasser dominiertes Hochwasserregime. Die Sommerhochwasser weisen keine deutlichen Änderungen in ihrer Auftretenshäufigkeit auf. Allerdings kann in dieser Region eine signifikante Zunahme der Hochwasserstärke im Winter nachgewiesen werden.

Überregionale Hochwasser

Eine besondere Rolle in der Bewertung des Hochwasserrisikos nehmen überregionale Hochwasser ein, d.h. Hochwasser welche mehrere Flussgebiete gleichzeitig treffen und damit zu einer hohen Akkumulation von Schäden führen können und damit eine besondere Herausforderung an die Versicherungswirtschaft und den Katastrophenschutz stellen.
Die Stärke großräumiger Ereignisse ist nicht homogen, sondern kann an den einzelnen Flussabschnitten sehr unterschiedlich ausfallen. Eine vergleichende Bewertung von Ereignissen muss diese räumlich heterogene Ausprägung berücksichtigen. Dazu sind Maße der Ereignisauswirkungen, wie beispielsweise die Überflutungsfläche oder die aufgetretenen Schäden, geeignet. Allerdings stehen nur für eine geringe Auswahl vergangener Ereignisse solche Daten zur Verfügung. Zudem stellt die Berechnung der Konsequenzen großräumiger Ereignisse nach wie vor enorme Anforderungen an die vorhandenen Daten und Modelle.

Neuere Ergebnisse (Uhlemann et al., 2010) lassen nun jedoch einen Vergleich von flussgebietsübergreifenden Hochwassern anhand von Abflussmessungen zu. Damit steht eine Liste der 80 schwersten Hochwasser in Deutschland der letzten 50 Jahre als Kombination aus der räumlichen Ausdehnung und der lokalen Stärke zur Verfügung. Diese Ereignisliste wird zu zwei Dritteln von Winterhochwassern dominiert, wobei dies insbesondere die großräumigsten Ereignisse sind, welche mehr als ein Drittel des gesamten Flussnetzes in Deutschland betrafen. Sommerereignisse beschränken sich zumeist auf Teile der Donau und Elbe. Ihre Intensitäten übertreffen allerdings deutlich die der Winterereignisse. Auffällig ist auch bei den überregionalen Ereignissen, dass insbesondere die schwersten und damit vornehmlich Winterereignisse, auch die stärkste Zunahme in der Häufigkeit ihres Auftretens innerhalb der letzten fünf Dekaden aufweisen.