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15.08.2016

Extreme Ereignisse Extreme Wetterereignisse verursachen jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel? Wie können wir Schäden vermeiden?

Stürme im deutschen Binnenland

Einführung

Als Stürme werden Starkwindereignisse bezeichnet, die mit verschiedenen Wettersystemen verbunden sein können. Dabei wird – mit abnehmender räumlicher Skala – unterschieden zwischen außertropischen Sturm- und Orkantiefs, tropischen Wirbelstürmen, Derechos (großräumige konvektive Sturmerei-gnisse), Föhnstürmen, Gewitterböen und Tornados.

Aufgrund der großen räumlichen Ausdehnung ihrer Windfelder von über 1000 km weisen außertropische Sturmtiefs das höchste Gefahrenpotenzial für Mitteleuropa auf. Im Folgenden sollen diese Wettersysteme näher betrachtet werden.

Abbildung 1: Sturmtief Christian am 28. Oktober 2013 (Quelle: B. J. Burton)

Abbildung 1: Sturmtief Christian am 28. Oktober 2013 (Quelle: B. J. Burton)

Sturmtiefs entwickeln und intensivieren sich gewöhnlich in einer Zone mit einem großen horizontalen Temperaturgegensatz („Baroklinität“) über dem Nordatlantik. Da dieser in den Wintermonaten am stärksten ausgeprägt ist, treten starke Sturm- oder Orkantiefs über Mitteleuropa fast ausschließlich in den Wintermonaten auf, weshalb sie auch als Winterstürme bezeichnet werden. Eine Ausnahme von dieser Klimatologie war das Orkantief „Christian“, das Ende Oktober 2013 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 190 km/h (193 km/h in Fegnaes Fyr, DK) über Mitteleuropa und Deutschland (Spitze: St. Peter-Ording mit 172 km/h) hinweg fegte (Abbildung 1).

In Deutschland verursachen Winterstürme im langjährigen Durchschnitt über die Hälfte der gesamten volkswirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen. Einzelne Sturmereignisse, die allerdings sehr selten auftreten, weisen ein Schadenpotential von mehr als 10 Mrd. € auf, wie beispielsweise die Orkane Lothar am 26. Dezember 1999 oder Kyrill am 18. Januar 2007 dokumentierten.

Sturmgefährdung in Deutschland

Die Windgeschwindigkeit an einem Ort hängt nicht nur vom großräumigen Zustand der Atmosphäre, sondern auch von den lokalen Umgebungsbedingungen ab. Während beispielsweise eine Windgeschwindigkeit von 120 km/h (Untergrenze Orkan) über dem Brocken mehrmals im Jahr registriert wird, ist dies über dem Rheinland ein sehr selten auftretendes Ereignis. Der Grund hierfür ist die Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe sowie ihre Abnahme bei höherer Geländerauigkeit, etwa über dicht bebauten Gebieten oder Waldflächen.

Für Sturmschäden maßgeblich sind die kurzzeitigen Fluktuationen des Windes, die als Böen bezeichnet werden. Je nach Geländerauigkeit sind die Böen um einen Faktor zwischen 1,5 und 3 höher gegenüber den üblicherweise angegebenen 10-min Mittelwerten. Da für die Einwirkung des Windes an Gebäuden oder Waldbeständen der Fluss kinetischer Energie entscheidend ist, sind die Schäden im Mittel proportional zur Böengeschwindigkeit in der dritten Potenz. Geringe Änderungen der Böengeschwindigkeit haben also eine erhebliche Auswirkung auf die Schadensummen und Schadenmuster.

Die Sturmgefährdung gibt Auskunft darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Windgeschwindigkeit verbunden ist oder umgekehrt. Um die räumliche Variabilität der Windgeschwindigkeit annähernd realistisch abzubilden, sind entweder sehr dichte Messnetze oder Modellsimulationen mit hoher räumlicher Auflösung notwendig. Aus den extremwertstatistischen Analysen von Sturmfeldern über einen klimatologischen Zeitraum (30 Jahre) können dann Windgeschwindigkeiten für bestimmte Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden.

Abbildung 2: Maximale Böengeschwindigkeiten durch Winterstürme in Deutschland für eine Wiederkehrperiode von 5 Jahren (Wahrscheinlichkeit p = 0.2) mit einer Auflösung von 1 × 1 km² (Hofherr und Kunz, 2010; siehe www.cedim.de)

Abbildung 2: Maximale Böengeschwindigkeiten durch Winterstürme in Deutschland für eine Wiederkehrperiode von 5 Jahren (Wahrscheinlichkeit p = 0.2) mit einer Auflösung von 1 × 1 km² (Hofherr und Kunz, 2010; siehe www.cedim.de)

Ein solches Vorgehen wurde beispielsweise bei der Erstellung von Windgefährdungskarten im Rahmen des Projekts „Risikokarte Deutschland“ des Centers for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) umgesetzt (Heneka et al., 2006; Hofherr und Kunz, 2010). Abbildung 2 zeigt maximale Böengeschwindigkeiten, mit denen einmal in 50 Jahren gerechnet werden muss (Auflösung 1 km). Deutlich zu erkennen ist die Abnahme der Windgeschwindigkeit von Norden nach Süden und die Maxima über exponierten Lagen wie Berggipfel oder Bergrücken.

Sturmgefährdung im Klimawandel

Durch den Klimawandel wird sich nach heutigem Kenntnisstand auch die Sturmaktivität verändern. Das zukünftig zu erwartende regionale Sturmschadenrisiko hängt dabei entscheidend davon ab, wie die großräumigen Wettersysteme auf die erwartete Temperaturzunahme, insbesondere auf die unterschiedliche Erwärmung zwischen hohen und niederen Breiten und die Zunahme der Meeresoberflächentemperatur, reagieren.

Diese Wechselwirkungen und die Folgen für das regionale Sturmklima können im Prinzip aus Zukunftsprojektionen aktueller Klimamodelle abgeschätzt werden. Derzeitige globale Klimamodelle liefern aufgrund ihrer geringen horizontalen Auflösung von über 150 km allerdings nur stark geglättete und mittlere Verteilungen der meteorologischen Variablen. Extremereignisse wie schwere Winterstürme können daher nur von regionalen Klimamodellen mit einer Auflösung von weniger als 20 km annähernd realistisch abgebildet werden (Kunz et al., 2010). Diese hoch aufgelösten Regionalmodelle berechnen zudem auch mittels Parametrisierungen die für Schäden relevanten Böengeschwindigkeiten.

Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten auf der Basis globaler Klimamodelle gehen davon aus, dass die Anzahl außertropischer Tiefdruckgebiete in der Nordhemisphäre infolge des verringerten meridionalen Temperaturgradienten in der Zukunft abnehmen wird (Ulbrich et al., 2009; Pinto et al., 2012). Nur über wenigen Regionen wie beispielsweise über dem Nordostatlantik oder den Britischen Inseln muss mit einer Zunahme extremer Sturmzyklonen (definiert über den minimalen Kerndruck) gerechnet werden. Allerdings hängen die Ergebnisse sehr stark von den verwendeten Methoden, physikalischen Größen, ihren Schwellwerten und den betrachteten Modellhöhen ab.

Die für die Zukunft zu erwartenden Änderungen der lokalen Böengeschwindigkeit in Deutschland zeigen ausgeprägte räumliche Unterschiede, die zum Teil vom betrachteten Modelllauf abhängig sind. Um zu einer belastbareren Aussage über das Änderungssignal zu gelangen, ist es dabei notwendig, die Vielzahl möglicher Realisierungen des zukünftigen Klimas durch eine möglichst hohe Anzahl verschiedener regionaler Modellläufe zu berücksichtigen (Rauthe und Kunz, 2010). Ein solches Ensemble ermöglicht es, sowohl die Robustheit der Änderungssignale als auch deren Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.

So zeigen beispielsweise extremwertstatistische Analysen verschiedener regionaler Klimamodelle eine Zunahme der Böengeschwindigkeit zwischen 2% und 6% (Ensemblemittel; Wiederkehrperiode 10 Jahre) über Norddeutschland. Über allen übrigen Landesteile ist dagegen diesen Analysen zufolge keine Änderung oder sogar eine geringe Abnahme zu erwarten (Abbildung 3).

Abbildung 3: Relative Änderung der Böengeschwindigkeiten (2021-2050 gegenüber 1971-2000) nach einem Ensemble aus 11 regionalen Klimamodellen für eine Wiederkehrperiode von 10 Jahren (Ensemblemittel;  KIT, 2011)

Abbildung 3: Relative Änderung der Böengeschwindigkeiten (2021-2050 gegenüber 1971-2000) nach einem Ensemble aus 11 regionalen Klimamodellen für eine Wiederkehrperiode von 10 Jahren (Ensemblemittel; KIT, 2011)