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30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Wann und wie sehen sich Unternehmen in Deutschland betroffen?

Der fortschreitende Klimawandel wird auch das Wirtschaften in Deutschland beeinflussen. Mit hoher Sicherheit können seine Folgen bereits in der Landwirtschaft festgestellt werden, etwa durch einen früheren Beginn der Vegetationsphase (Chmielewski, 2007, 79). Das Klima in Deutschland wird sich jedoch erst im Laufe der Jahrzehnte deutlich verändern (Dossier Klimamodelle/-szenarien). Ganzjährig werden die Temperaturen steigen, bis zur Jahrhundertmitte um rund ein Grad Celsius (Aktionsplan Anpassung, 2011; Deutscher Klimaatlas). Die Erwärmung wird im Süden und im Osten Deutschlands stärker ausfallen als im Norden und im Westen. Bis zur Jahrhundertwende muss mit einer Temperaturerhöhung von drei bis vier Grad gerechnet werden, die Spannweiten einzelner Klimamodelle reichen sogar von zwei bis fünf Grad. Die regionalen Unterschiede werden ebenfalls wachsen. Damit einher gehen häufigere Hitzeperioden mit geringeren Auskühlungen in den Nächten.

Zugleich ist eine Verlagerung der Niederschläge von den Sommermonaten in die Wintermonate zu erwarten. Die Niederschläge werden bis zur Jahrhundertmitte im Sommer zumeist um bis zu 10 Prozent zurückgehen. Der Westen wird den Rückgang überdurchschnittlich stark spüren. Bis zum Ende des Jahrhunderts verstärkt sich dieser Trend in den Sommermonaten auf 10 bis 20 Prozent, während die Winterniederschläge um mehr als 10 Prozent zulegen werden. Gerade in der Kombination mit höheren Temperaturen hat dies stärkere Belastungen für die Wasserversorgung sowie für die Land- und die Forstwirtschaft zur Folge. Mögliche höhere Risiken durch Sturm und Hagel können diese Einflüsse weiter verstärken. Außerdem haben Starkniederschläge oft zur Folge, dass das Wasser schnell abfließt, statt vom Boden aufgenommen zu werden. Auch in anderen Wirtschaftszweigen können Produktion und Transport sowie Lieferungen aus dem bzw. in das Ausland beeinträchtigt werden sowie die Nachfrage verändern.

In vielen Wirtschaftszweigen werden sich jedoch auch Chancen ergeben. Attraktiver wird beispielsweise in einigen Regionen Deutschlands der Sommertourismus, vor allem an den Küsten. Von milderen Wintern wird die Bauwirtschaft profitieren, da kältebedingte Unterbrechungen seltener werden. Maßnahmen der Klimaanpassung werden gerade dieser Branche zusätzliche Nachfrage bescheren. Dies gilt jedoch auch für andere Anbieter von Anpassungsprodukten wie der Chemie- und Pharmaindustrie. Grundsätzlich verbessern sich die Wettbewerbsbedingungen von in Deutschland tätigen Unternehmen im Verhältnis zu Unternehmen in Regionen, die stärker von negativen Folgen des Klimawandels betroffen sein werden.

© xiaoliangge/fotolia

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Die deutsche Wirtschaft wird sich an den Klimawandel wie an viele andere klein- und großmaßstäbige Veränderungen anpassen müssen, und zwar rechtzeitig. Der Startschuss für Anpassungen sollte umso früher fallen, je länger die benötigten Vorlaufzeiten für Planungen und Genehmigungen, für Forschung und Entwicklung sowie für die Durchführung sind und je länger heute errichtete Anlagen, Bauwerke, Verkehrswege und Forste Bestand haben sollen. Schließlich sollen sie auch noch in Zeiten größerer klimatischer Veränderungen genutzt werden können. Viele kleine Veränderungen benötigen hingegen weitaus weniger Zeit, so dass nicht jede Investition in Anpassungsmaßnahmen so früh wie möglich getätigt werden sollte. Nicht zu unterschätzen ist, dass viele Veränderungen auch neue Lernerfahrungen bedingen und dass schnelle Anpassungen nicht immer von vielen Akteuren gleichzeitig bewältigt werden können, beispielsweise weil eine sprunghaft steigende Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen manchmal nicht sofort bedient werden kann und weil das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren nicht in jedem Fall von vornherein richtig eingeschätzt werden kann.

Für Entscheider in Politik und Wirtschaft ist es schwer einzuschätzen, wann mit wesentlichen Folgen des Klimawandels gerechnet werden muss. Ob heutige Extremwetterereignisse bereits als Vorboten des Klimawandels betrachtet werden können, wird von Klimaforschern stark in Frage gestellt (Intergovernmental Panel on Climate Change, 2012). Nach den gängigen Klimamodellen dürften erst um die Jahrhundertmitte stärkere Veränderungen zu erwarten sein. In den Medien wird die Verknüpfung zwischen auffälligen Wetterereignissen und dem Klimawandel jedoch häufig hergestellt. Tatsächlich werden neben einer erhöhten Frequenz von Hochwasserereignissen, die in das Bild vom Klimawandel passen, in Deutschland beispielsweise auch kalte Winter und kühle Sommer beobachtet, also Ereignisse, die der erwarteten Richtung der Veränderungen widersprechen. Dies erschwert die Herausbildung stabiler Erwartungen bei den unterschiedlichen Akteuren.

Unternehmensbefragungen ergeben, dass viele Unternehmensvertreter bereits positive wie negative Folgen des Klimawandels für ihr Unternehmen sehen (Fichter und Stecher, 2011; Mahammadzadeh, Chrischilles und Biebeler, 2013; Stechemesser und Günther, 2011). Je nach Befragung liegt der Anteil der Personen, die solche Folgen für den gegenwärtigen Zeitraum angeben, zwischen 20 und 30 Prozent. Drei Gründe können für diesen hohen Anteil eine Rolle spielen: Auch wenn Fragetexte deutlich von Klimafolgen sprechen, sind die Folgen der Klimaschutzpolitik nie ganz aus den Antworten wegzudenken. Als Zweites werden besondere Extremwetterereignisse nicht selten dem Klimawandel zugerechnet. Und drittens können Unternehmen schon Folgen des Klimawandels in anderen Regionen der Welt spüren, sofern dort der Klimawandel früher einsetzt als in Deutschland.

Der Klimawandel kann für Unternehmen in unterschiedlicher Weise Bedeutung gewinnen, und zwar durch direkte Wirkungen des Klimawandels und indirekt durch klimawandelbezogene Gesetze und Marktveränderungen. Vor diesem Hintergrund wurde 2011 im Begleitprozess der Fördermaßnahme „KLIMZUG – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ zum Thema der Anpassung an den Klimawandel bei Geschäftsführern von Unternehmen eine Befragung durchgeführt (Mahammadzadeh, Chrischilles und Biebeler, 2013). Dabei zeigt sich, dass Unternehmen zu verschiedenen Zeitpunkten mit diesen Folgen rechnen.

Unternehmen im Klimawandel heute

Grundsätzlich ergibt sich für den gegenwärtigen Zeitpunkt:

  • Gesetze und Verordnungen aus Gründen des Klimaschutzes wie auch der Klimaanpassung werden am stärksten und am frühesten für Unternehmen relevant. Gemeint sind beispielsweise der Emissionshandel oder Regeln zur Konstruktion energieverbrauchender Geräte mit dem Ziel eines besseren Klimaschutz sowie wasserrechtliche Bestimmungen zur Anpassung an den Klimawandel. Gegenwärtig spielen für etwas weniger als die Hälfte, nämlich für 40 Prozent der Unternehmen solche staatlichen Regeln eine Rolle.
  • An zweiter Stelle stehen die Marktwirkungen durch Aktivitäten zum Klimaschutz wie die Nachfrage nach Windenergieanlagen oder nach Produkten und Dienstleistungen zur Gebäudedämmung. Diese Marktwirkungen aufgrund des Klimaschutzes registriert etwa jeder dritte Unternehmensvertreter (gut 30 Prozent).
  • Derzeit werden an dritter Stelle zwei unterschiedliche Folgen des Klimawandels als relevant bezeichnet, die beide mit der Anpassung an den Klimawandel in Verbindung stehen, nämlich Marktwirkungen aufgrund von Anpassungsaktivitäten wie eine steigende Nachfrage nach baulichen Maßnahmen für einen besseren Hochwasserschutz, aber auch die natürlich-physikalischen Folgen des Klimawandels wie eine schlechtere Schiffbarkeit von Flüssen aufgrund geringerer Wasserstände. Diese Klimafolgen haben für jeweils recht genau jedes vierte der einbezogenen Unternehmen eine Bedeutung, eine Minderheit zwar, jedoch kein Randphänomen.
  • Eine zusätzliche Unterscheidung zwischen Beschaffungs- und Absatzseite ergibt keine größeren Unterschiede in der Wahrnehmung von Klimafolgen per se, wohl aber in ihrer Bewertung: Auf der Beschaffungsseite werden stärker die Risiken, auf der Absatzseite stärker die Chancen aus dem Klimawandel gesehen. Die Einschätzungen differieren hingegen nicht zwischen Klimafolgen im In- und im Ausland.

Unternehmen im Klimawandel um 2030

Gerade in Anbetracht des in Deutschland noch sehr moderaten Klimawandels lässt sich feststellen, dass die Folgen des Klimawandels vergleichsweise stark registriert werden. Für die Zukunft wird sich die Relevanz für Unternehmen noch vergrößern. Dies zeigt ebenfalls die genannte Befragung, für die als Zeithorizont die Zeit um das Jahr 2030 ausgewählt: Hier kann sich der Klimawandel schon stärker bemerkbar machen, und diese Zeit ist noch nicht völlig aus der Perspektive der Unternehmen herausgerückt. Teilweise wird bei der Relevanz nun die 50-Prozent-Schwelle erreicht und sogar überschritten. Bei der Differenzierung nach indirekten und direkten Folgen ergibt sich eine sehr ähnliche Reihenfolge wie für die Gegenwart:

  • Den künftigen Gesetzen und Verordnungen aufgrund des Klimawandels kommt wiederum die größte Bedeutung zu. Sie wird für die Zeit um 2030 von deutlich mehr als 50 Prozent der Befragten genannt.
  • Marktwirkungen von Klimaschutzaktivitäten belegen wieder die zweite Stelle. Sie liegen recht genau bei 50 Prozent.
  • Auch in der Zukunft, nur auf höherem Niveau als in der Gegenwart, liegen die Marktwirkungen von Klimaanpassungsmaßnahmen und die natürlich-physikalischen Folgen gleichermaßen am Ende der Rangfolge, und zwar bei rund 40 Prozent der Antworten. Unter den in die Befragung einbezogenen Branchen erwartet die Bauwirtschaft überdurchschnittlich häufig direkte Folgen des Klimawandels. Dies ist vor allem auf für die Unternehmenstätigkeit günstige Klimaveränderungen wie mildere Winter zurückzuführen.

Weitere Befragungsergebnisse

Andere Untersuchungen ergänzen dieses Bild:

  • Die in dieser Befragung nicht abgebildete Landwirtschaft spürt den Klimawandel heute und in Zukunft noch viel stärker als der sekundäre und der tertiäre Sektor (Fichter/Stecher, 2011, Seite 82; Beitrag Landwirtschaft in diesem Dossier).
  • Eine Expertenbefragung von 2010 beleuchtet die Zeit bis zur Jahrhundertmitte (Biebeler, 2011, Seite 143; Mahammadzadeh, 2010): Unternehmensvertreter, die speziell mit Umweltfragen befasst sind, sehen zu 75 Prozent direkte Folgen des Klimawandels für ihr Unternehmen bis zur Jahrhundertmitte. Die marktlichen und nochmals stärker die regulatorischen Folgen des Klimawandels sehen bis dahin mehr als 90 Prozent der Experten aus der Wirtschaft.
  • Für die internationale Perspektive kann das Carbon Disclosure Project (2012) herangezogen werden. Eine entsprechende Frage wurde 2012 gestellt. Es zeigt sich, dass sich international derzeit und in naher Zukunft weniger als jedes Zweite der teilnehmenden Unternehmen von den natürlich-physikalischen Folgen des Klimawandels betroffen fühlen.

Die Planung von Anpassungsmaßnahmen

Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels bedürfen eines zeitlichen Vorlaufs. Deshalb sollte eine Auseinandersetzung mit diesem Thema frühzeitig erfolgen. Von der Informationssammlung und der Maßnahmenauswahl bis zur Durchführung können Jahre vergehen. Zudem sind bei bestehenden Gebäuden und Anlagen Sanierungs- und Modernisierungszyklen zu beachten, da sich Anpassungsmaßnahmen häufig am günstigsten gemeinsam mit anderen baulichen oder technischen Veränderungen durchführen lassen. Zu bedenken ist zudem, dass sich technische Möglichkeiten und das Wissen generell im Zeitverlauf erhöhen. Dies spricht für eine zeitliche Festlegung, die dem Handlungsdruck nicht allzu sehr vorauseilt.

Anpassungsmaßnahmen sind Investitionen, deren erwarteter Ertrag in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen möglichen Investitionsvorhaben steht. Erwartet wird mindestens eine Amortisation der Ausgaben durch vermiedene Risiken oder erschlossene Chancen. Im Vergleich zu anderen Vorhaben stellt sich darüber hinaus die Frage nach der Rendite der Investition in die Anpassung. Ein langer Vorlauf erhöht die Kapitalbindung, vergrößert aber die Sicherheit, dass Anpassungsmaßnahmen rechtzeitig wirken.

Aus Unternehmenssicht sind Gesetze und Maßnahmen zum Klimaschutz die Vorboten eines stärker spürbaren Klimawandels. Dieser gewinnt für Unternehmen nach und nach auch in seiner natürlich-physikalischen Dimension vermehrt an Bedeutung. Im Vergleich zu den tatsächlichen Klimaveränderungen wird diese derzeit eher etwas überbewertet. Tatsächliche Anpassungsmaßnahmen stehen gegenwärtig noch kaum auf der Tagesordnung, sollten mit Blick auf teilweise lange Vorlaufzeiten für Entwicklung, Planung und Durchführung jedoch nicht zu stark hinausgezögert werden.

Autor
Hendrik Biebeler
Dr. Hendrik Biebeler
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen

Quellen