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26.01.2017

Regionale Klimamodellierung Mit Methoden der regionalen Klimamodellierung werden globale Klimadaten für einzelne Regionen räumlich verfeinert.

Gebirgsgletscher

Aufgrund ihrer recht geringen räumlichen Ausdehnung und ihres nur geringen direkten Einflusses auf das globale Klimasystem werden Gebirgsgletscher in heutigen Klimamodellen nicht oder nur stark vereinfacht beschrieben. In der Regel verwenden globale und regionale Klimamodelle Gletschermasken, die einzelne Gitterzellen als „vergletschert“ kennzeichnen und ihnen die Oberflächeneigenschaften von Eis zuweisen. Diese Masken sind statisch, gelten also für den gesamten Zeitraum einer Klimasimulation. Eine mögliche Vergrößerung oder Verkleinerung der gletscherbedeckten Fläche als Folge klimatischer Veränderungen wird vernachlässigt. Außerdem werden die in vergletscherten Gitterzellen gespeicherten Wassermengen nicht explizit betrachtet. Da auf der regionalen Skala aber durchaus Klima-Gletscher Wechselwirkungen auftreten können und die Hydrologie von Gebirgsregionen entscheidend durch Schnee- und Eisschmelze beeinflusst wird, wäre eine interaktive Betrachtung von Gebirgsgletschern als Teil des Klimasystems durchaus wünschenswert. Ein erster Versuch hierzu erfolgte durch Kotlarski (2007) und Kotlarski et al. (2010). Im Folgenden wird eine Zusammenfassung dieser Studien gegeben, für Details wird insbesondere auf Kotlarski (2007) verwiesen.

Modelle und Methoden

Ausgangsmodell ist das regionale Klimamodell REMO, ein dreidimensionales atmosphärisches Zirkulationsmodell, das insbesondere für Studien zum regionalen Klimawandel eingesetzt wird (s. Kapitel REMO).

In seiner bisherigen Version hat REMO Gebirgsgletscher lediglich in Form binärer (= Gletscher oder kein Gletscher) statischer (= zeitlich unveränderlicher) Gletschermasken betrachtet und ohne explizite Berücksichtigung der in den Gletschern gespeicherten Wassermengen. In Kotlarski (2007) wurde das Modell durch eine Gletscherparameterisierung erweitert. Diese beschreibt das Verhalten von Gebirgsgletschern auf Subgrid-Ebene in interaktiver Form, d.h. das von REMO simulierte Klima beeinflusst das Verhalten der Gletscher, und die sich verändernden Gletschereigenschaften (Fläche, Oberflächentemperatur, etc.) können wiederum auf die Atmosphäre zurückwirken. Das neue Gletschermodul ist dabei in die physikalischen Parameterisierungen des Klimamodells integriert und wird zu jedem Modellzeitschrift aufgerufen. Es erhält den atmosphärischen Antrieb inklusive der turbulenten Oberflächenflüsse von den atmosphärischen Modellkomponenten und gibt für jede vergletscherte Modellbox den aktualisierten Gletscherzustand zurück (Abbildung 1).

Abb. 1 Schematische Übersicht der Kopplung des neuen Gletschermoduls an das regionale Klimamodell REMO und das Routingschema HD Modell.

Abb. 1 Schematische Übersicht der Kopplung des neuen Gletschermoduls an das regionale Klimamodell REMO und das Routingschema HD Modell.

Zusätzlich wurde ein hydrologisches Routing-Modell (HD Modell; Hagemann und Dümenil 1998) im Offline-Modus an das Klimamodell gekoppelt. Das HD Modell erlaubt es, den zusätzlichen Wasserinput aus Schnee- und Eisschmelze in vergletscherten Einzugsgebieten in Abflussmengen im Flusssystem zu übersetzen und den hydrologischen Einfluss von Gletschern zu quantifizieren. Im vorliegenden Artikel wird auf die Ergebnisse der hydrologischen Modellierung jedoch nicht eingegangen, der Leser sei auf Kotlarski (2007) verwiesen.

Innerhalb der Landoberflächenparameterisierung von REMO stellen Gebirgsgletscher nun eine vierte Oberflächenfraktion dar - zusätzlich zu gletscherfreiem Land, Wasser und Meereis (Abbildung 2).

Abb. 2 Erweiterung der REMO-Landoberflächenparameterisierung um eine vierte Oberflächenklasse zur interaktiven Beschreibung von Gebirgsgletschern.

Abb. 2 Erweiterung der REMO-Landoberflächenparameterisierung um eine vierte Oberflächenklasse zur interaktiven Beschreibung von Gebirgsgletschern.

Diese Gletscherfraktion wächst und schrumpft je nach simulierten Massenbilanzverhältnissen auf Kosten bzw. zugunsten des gletscherfreien Landanteils.

Abbildung 3 gibt einen schematischen Überblick über die neue Parameterisierung in Form eines Querschnittes durch eine vergletscherte REMO-Gitterzelle.

Abb. 3 Querschnitt durch eine vergletscherte REMO-Gitterzelle.

Abb. 3 Querschnitt durch eine vergletscherte REMO-Gitterzelle.

Die gesamte in der Gitterzelle vorhandene Eismasse (also die Masse aller Einzelgletscher) wird durch einen einzelnen Eisquader mit Mächtigkeit h dargestellt, der dem Boden aufliegt und zusätzlich von einer Schneeschicht bedeckt sein kann. Der Eisquader selbst besteht bei geringen Eismächtigkeiten aus einer einzelnen Schicht, bei großen Mächtigkeiten aus zwei Schichten. Die Fläche des Quaders, und damit auch der prozentuale Flächenanteil des Gletschers an der gesamten Gitterboxfläche, wird durch eine einfache Volumen-Flächen-Beziehung nach Bahr et al. (1997) geregelt. Diese Beziehung ist monoton, d.h. bei einer Vergrößerung des Eisvolumens (positive Massenbilanz) vergrößert sich auch die Gletscherfläche und umgekehrt.

An der Oberfläche des Gletscherquaders (bzw. an der Oberfläche der darüberliegenden Schneeschicht) wird zu jedem Zeitschritt die volle Energiebilanz bestimmt. Schnee bzw. Eis schmilzt, sobald die entsprechenden Temperaturen Werte von 0°C erreichen. Schneeakkumulation geschieht durch fallenden Schneeniederschlag unter Einbeziehung der Subgrid-Variabilität des Niederschlags. Auch bei der Berechnung der auf die Gletscheroberfläche auftreffenden kurzwelligen Strahlung (Globalstrahlung) werden Subgrid-Konzepte verwendet, die Geländeneigung und Abschattung berücksichtigen.

Schnee auf dem Gletscher sowie Schnee auf der gletscherfreien Landfraktion kann in Gletschereis umgewandelt werden, sobald er ein kritisches Alter von zwei Jahren erreicht hat. Schnee- und Eisschmelze auf der Gletscherfraktion werden entweder direkt dem Oberflächenabfluss der Gitterzelle im jeweiligen Zeitschritt zugeschlagen oder infiltrieren in den ungesättigten Boden, aus dem sie zu einem späteren Zeitpunkt als Drainage austreten können.

Modellvalidierung

Zur Entwicklung und Validierung der mit dem Gletschermodul erweiterten REMO-Version (REMOGletscher) wurden mehrere Simulationen für den Alpenraum und für den Zeitraum 1958-2003 mit einer räumlichen Auflösung von ca. 18 km durchgeführt. Der atmosphärische Randantrieb für REMO wurde dabei von der ERA40-Ranalyse (1958-2002) bzw. den operationellen Analysen des ECMWF (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts; 2002-2003) bereitgestellt. Abbildung 4 zeigt des regionale Modellgebiet sowie den vergletscherten Flächenanteil (links) und die mittlere Eismächtigkeit h (rechts) jeder Gitterzelle zum Starttermin 1. Januar 1958. Beide Informationen wurden aus dem World Glacier Inventory des World Glacier Monitoring Service (WGMS) abgeleitet (WGI 1989).

Abb. 4 Regionales Modellgebiet und aus dem World Glacier Inventory abgeleiteter vergletscherter Gitterboxanteil (links) sowie mittlere Eismächtigkeit (rechts) zum Startzeitpunkt 1. Januar 1958.

Abb. 4 Regionales Modellgebiet und aus dem World Glacier Inventory abgeleiteter vergletscherter Gitterboxanteil (links) sowie mittlere Eismächtigkeit (rechts) zum Startzeitpunkt 1. Januar 1958.

Deutlich zu erkennen ist die Vergletscherung des Alpenbogens mit Gletscherflächenanteilen von z.T. mehr als 30% in den West- und Zentralalpen. Die mittleren Eismächtigkeiten erreichen in diesen Gebieten Werte von mehr als 90m. In den folgenden 46 Simulationsjahren nimmt die Gletscherfläche fast im gesamten Simulationsgebiet deutlich ab, wobei die Gletscher in einer Vielzahl von Gitterzellen komplett abschmelzen (Abbildung 5).

 Bildvergrößerung

Abb. 5 Simulierte Veränderung der Gletscherfläche im Zeitraum 1958-2003 [%]. Die Abbildung zeigt nicht das gesamte Modellgebiet, sondern lediglich den vergletscherten Alpenbogen (vgl. Abbildung 4.2.4).

Abb. 5 Simulierte Veränderung der Gletscherfläche im Zeitraum 1958-2003 [%]. Die Abbildung zeigt nicht das gesamte Modellgebiet, sondern lediglich den vergletscherten Alpenbogen (vgl. Abbildung 4.2.4).

Lediglich einige leicht vergletscherte Boxen am Alpennordhang verzeichnen einen leichten Zuwachs der vergletscherten Fläche. Dieser lokal simulierte Flächengewinn wird durch sehr hohe winterliche Niederschlagsmengen hervorgerufen, ist aber als Modellfehler einzustufen und wird von den Beobachtungen nicht wiedergegeben. Insgesamt nimmt die simulierte Gletscherfläche der Alpen im Zeitraum 1958-2000 um ca. 21% ab. Dieser Wert unterschätzt den aus Beobachtungen abgeleiteten Flächenschwund (ca. -28%) deutlich, was insbesondere auf eine Überschätzung der Gletschermassenbilanzen ab Mitte der 80er Jahre zurückzuführen ist (Abbildung 6). Der Grund für diese Modellungenauigkeit ist anhand der vorliegenden Beobachtungsdaten nicht genau einzugrenzen, hängt aber vermutlich mit einer zu ungenauen Beschreibung der Subgrid-Variabilität des Schneeniederschlags zusammen.

Abb. 6 Simulierte (rot) und aus Beobachtungen abgeleitete (schwarz; Dyurgerov und Meier 2005) mittlere jährliche Gletschermassenbilanz in den Alpen im Zeitraum 1958-2003 [m we].

Abb. 6 Simulierte (rot) und aus Beobachtungen abgeleitete (schwarz; Dyurgerov und Meier 2005) mittlere jährliche Gletschermassenbilanz in den Alpen im Zeitraum 1958-2003 [m we].

Gletscher-Klima-Wechselwirkung

Zusätzlich zur oben beschriebenen Gletschersimulation wurde eine Referenzsimulation mit identischem Setup jedoch unter Verwendung der Standardversion von REMO, d.h. der Ursprungsversion ohne Gletscherparameterisierung, durchgeführt. Ein Vergleich der beiden Experimente lässt auf den Einfluss der Gletscher auf das simulierte Klima im Alpenraum schließen. Für die Temperatur zeigt sich hierbei, dass Gletscher eine z.T. deutliche Reduktion der gitterboxgemittelten oberflächennahen Lufttemperatur bewirken, dies allerdings nur über vergletscherten Gitterboxen. Die Niederschlagsmengen werden vorwiegend im Sommer beeinflusst, wobei Gletscher eine deutliche Reduktion des Niederschlags von teilweise mehr als 30% in vergletscherten Gitterzellen sowie in deren unmittelbarer Umgebung bewirken. Diese sommerliche Niederschlagsreduktion lässt sich vor allem auf einen Rückgang des konvektiven Niederschlags infolge kühlerer oberflächennaher Verhältnisse und der damit einhergehenden Stabilisierung erklären.

Klimaszenarien

REMOGletscher wurde in einer Pilotstudie zur Simulation des Klimas im Alpenraum im 21. Jahrhundert eingesetzt. Das Setup dieser Klimaszenarien ist fast identisch zum Setup der Validierungsexperimente (s.o.). Jedoch wird der Randantrieb nun durch eine REMO-Simulation mit 50 km Auflösung, die wiederrum durch das globale Klimamodell ECHAM5-MPI-OM (Jungclaus et al. 2006) angetrieben wird, bereitgestellt (Doppelnestung). Als Treibhausgasszenario wird das A1B Szenario des IPCC angenommen, und es werden zwei unterschiedliche Versionen von REMOGletscher mit leicht veränderten Parameterwerten in der subskaligen Parameterisierung des Schneeniederschlags verwendet (Szenario A und Szenario B). Abbildung 7 zeigt die simulierte Entwicklung der gletscherbedeckten Fläche im Alpenraum für den Zeitraum 2001-2100.

Abb. 7 Simulierte Entwicklung der Gletscherfläche in den Alpen im Verlauf des 21. Jahrhunderts.

Abb. 7 Simulierte Entwicklung der Gletscherfläche in den Alpen im Verlauf des 21. Jahrhunderts.

Der simulierte Flächenschwund beträgt ca. 50% (Szenario A) bzw. ca. 75% (Szenario B). In hochgelegenen Regionen der Alpen führt der Gletscherschwund und der damit verbundene Verlust der relativ kühlen Eisoberflächen dabei zu einer zusätzlichen Erwärmung von 0.2 bis 0.3°C (ca. + 10% im Vergleich zu einer Referenzsimulation mit unveränderten Gletscherflächen).

Ausblick

Die neu entwickelte Gletscherparameterisierung für das regionale Klimamodell REMO wird derzeit weiterentwickelt und in weiteren Setups (Simulationen mit 10 km Auflösung über dem Alpenraum im Rahmen des europäischen ACQWA-Projektes) sowie über weiteren Gebirgsregionen (Simulationen mit 50 km Auflösung über Zentralasien im Rahmen des europäischen HighNoon-Projektes) getestet. Ziel sind jeweils genauere Aussagen zum Einfluss der Gebirgsgletscher auf den zukünftigen regionalen Klimawandel sowie - durch Kombination mit dem HD Modell - auf die zukünftigen Abflussverhältnisse in stark vergletscherten Einzugsgebieten.