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01.10.2018

Wahrnehmung des Klimawandels Klimawandel findet auch in unseren Köpfen statt. Jeder von uns nimmt das Thema je nach persönlichem oder beruflichem Hintergrund unterschiedlich wahr.

Veränderung der Wahrnehmung

Seit dem Frühjahr 2008 findet am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) jährlich eine Umfrage unter Hamburger BürgerInnen zu ihrer Einstellung und ihrer persönlichen Betroffenheit zum Klimawandel statt. Dazu werden jedes Jahr im März/April ca. 500 HamburgerInnen telefonisch befragt.

© Sashkin/fotolia

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Der Fragenkatalog ist immer der gleiche, allerdings wird seit dem dritten Jahr den Fragen zum Klimawandel eine allgemeine Frage zu den Problemen in Hamburg vorangestellt. Die Fragen beziehen sich auf den Klimawandel und seine Auswirkungen für Hamburg, auf den gedachten Zeitrahmen, wann denn der Klimawandel in Hamburg spürbar wird, mit welchen möglichen schweren Konsequenzen für Hamburg gerechnet wird und ob sich der Befragte persönlich betroffen sieht. Diese Umfrage zum Risikobewusstsein zielt auf die Bereitschaft, sich an einem Katastrophenmanagement aktiv zu beteiligen. Wenn es in den Köpfen der Menschen keinen Platz für präventives Handeln und den Schutz im Katastrophenfall gibt, wird es für alle weiteren Maßnahmen schwer, zu wirken. Es geht nicht zuletzt auch darum, die Menschen zu einem aktiven Handeln und zu einer Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu motivieren.

Die Ergebnisse der ersten Umfrage 2008

Die Befragung von 2008 ergab, dass 61% der befragten Hamburger Bürger den Klimawandel als eine große bis sehr große Bedrohung für die Stadt ansehen. Des Weiteren gaben 44% der Befragten an, dass die Folgen des Klimawandels für Hamburg bereits heute deutlich spürbar sind. Als Naturkatastrophe mit den potenziell schwersten Folgen für Hamburg fürchteten 83% Sturmfluten bzw. Überschwemmungen. Starkregen, die bereits immer häufiger auftreten, nannten dagegen nur 3% der Befragten. Die Umfrage machte deutlich, dass der Klimawandel in den Köpfen der Hamburger im Jahr 2008 sehr präsent war. Das Risikobewusstsein für Naturkatastrophen ist hoch. Jugendliche und die Befragten bis 45 Jahre sahen sich besonders von einer Naturkatastrophe bedroht. Erstaunlicherweise sah sich die Generation, die die Folgen der schweren Hamburger Sturmflut von 1962 eventuell selbst erlebte, deutlich weniger betroffen. So fürchteten 69% der über 60-Jährigen Hamburger keine Naturkatastrophen, obwohl 72% von ihnen zuvor angaben, den Klimawandel bereits heute zu spüren oder in spätestens 10 Jahren deutliche Folgen erwarten.

Bedeutsam bei der Risikowahrnehmung scheint das Alter zu sein, da die persönlich wahrgenommene Bedrohung durch den Klimawandel ab 45 Jahren signifikant abnimmt. Doch gerade für diese Gruppe besteht Nachholbedarf bei der Aufklärungsarbeit zu den möglichen Folgen des Klimawandels in der Stadt. Denn sollte Hamburg eine schwere Sturmflut treffen, ist es gerade für die älteren Mitbürger wichtig, angemessen vorbereitet zu sein, um sich bei einer Katastrophe schützen zu können.

Die Befragungsergebnisse 2018 – was hat sich in zehn Jahren verändert?

Mit Blick auf die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage könnte man meinen, dass sich seit der ersten Umfrage im Jahr 2008 nicht sehr viel getan hat. 18% der Befragten erachten die Bedrohung Hamburgs durch den Klimawandel als „sehr groß“ – 2008 lag das Ergebnis bei 17% (Abb. 1). Betrachtet man 2018 jedoch die Anzahl derer, die die Bedrohung als „sehr groß“ oder „groß“ wahrnehmen, erhält man mit 64% den bisher höchsten Wert (2008 waren es 61% der Befragten – der bisher zweithöchste Wert). Im Verlauf der letzten zehn Jahre unterlag die Wahrnehmung der Bedrohung Hamburgs durch den Klimawandel starken Schwankungen. In den Jahren 2011 und 2012 sah die Mehrheit der Befragten die Bedrohung sogar als „weniger groß“ oder „nicht gegeben“ (53% im Jahr 2011 und 51% im Jahr 2012). Die Umfrage im Jahr 2011 machte deutlich, dass der Klimawandel, wenn direkt danach gefragt wird, in den Köpfen der Hamburger zwar weiterhin präsent ist, jedoch fällt bei der Frage nach einer (sehr) großen Bedrohung Hamburgs durch den Klimawandel der Unterschied zum Jahr 2008 mit einem Minus von 17% (von 61% auf 44%) recht deutlich aus. Den Klimawandel schätzten zu diesem Zeitpunkt zunehmend weniger Menschen in Hamburg als Bedrohung ein.

Abb. 1: Wahrnehmung von Bedrohung durch den Klimawandel für Hamburg (2008-2018)

Abb. 1: Wahrnehmung von Bedrohung durch den Klimawandel für Hamburg (2008-2018)

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Von den HamburgerInnen, die die Bedrohung Hamburgs durch den Klimawandel als „groß“ oder „sehr groß“ einschätzten, glauben im Jahr 2018 insgesamt 73% dass die Folgen des Klimawandels für Hamburg bereits heute spürbar sind oder in etwa 10 Jahren spürbar sein werden (Abb. 2). Dieses Ergebnis entspricht exakt dem Wert aus dem Jahr 2008. Auch bei dieser Einschätzung der Hamburger Bevölkerung kamen über die Jahre sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus. In den Jahren 2010 und 2011 glaubten 36% bzw. 34% der Befragten, dass die Folgen des Klimawandels für Hamburg frühestens in 30 Jahren spürbar werden. Dieser Anteil ist im Jahr 2018 auf 25% zurückgegangen und hat somit in etwa wieder den Stand von 2008 erreicht (24%). Betrachtet man den Zeitraum ab 2011 nehmen die HamburgerInnen die Folgen des Klimawandels also wieder zunehmend früher war.

Abb. 2: Wann werden die Folgen des Klimawandels in Hamburg spürbar? (2008-2018)

Abb. 2: Wann werden die Folgen des Klimawandels in Hamburg spürbar? (2008-2018)

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Ein klarer Trend lässt sich bei der potentiellen persönlichen Betroffenheit der HamburgerInnen erkennen, die die Bedrohung Hamburgs als (sehr) groß einschätzten. Im Jahr 2008 glaube die Mehrheit (53%) nicht daran, von einer Naturkatastrophe in Hamburg auch persönlich betroffen sein zu können. Im Jahr 2018 glauben hingegen 55% der Bevölkerung an eine potentielle persönliche Betroffenheit. Diese Tendenz hat sich mit zwei Ausreißern (55% im Jahr 2010 und 59% im Jahr 2013) in den letzten zehn Jahren kontinuierlich entwickelt. Auffällig ist im Jahr 2018 erneut die Gruppe der über 60-Jährigen. Lediglich 33% dieser Altersgruppe halten eine persönliche Betroffenheit für möglich, was bereits 2008 mit einem ähnlichen Wert (31%) erstaunte, da Personen dieser Generation die schwere Hamburger Sturmflut von 1962 möglicherweise selbst erlebt haben.

Bei der Frage nach der Naturkatastrophe mit den potentiell schwersten Folgen für Hamburg ist in den letzten zehn Jahren eine eindeutige Entwicklung zu erkennen. Nach wie vor schätzen die HamburgerInnnen Sturmfluten und Überschwemmungen im Jahr 2018 als potentiell schwerste Naturkatastrophe ein, jedoch setzt sich der abnehmende Trend weiter fort und der Wert sinkt auf 64% (Abb. 3). Somit ist dieses Ergebnis 17% niedriger, als es noch im Jahr 2008 ausgefallen ist (83%). Stürme und Starkregen hingegen werden als deutlich bedrohlicher wahrgenommen und verzeichnen im Vergleich zum Jahr 2008 einen deutlichen Anstieg um 10% (Stürme) und 11% (Starkregen). Die Bedrohung durch Hitzewellen nehmen die HamburgerInnen konstant niedrig wahr. 2018 glauben lediglich 2%, dass eine Hitzewelle die Naturkatastrophe mit den potentiell schwersten Folgen für die Stadt sein könnte.

Abb. 3: Naturkatastrophe mit den potentiell schwersten Folgen für Hamburg (2008-2018)

Abb. 3: Naturkatastrophe mit den potentiell schwersten Folgen für Hamburg (2008-2018)

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Geschlechtsspezifische Wahrnehmung?

Betrachtet man insbesondere die Wahrnehmung von Bedrohung durch den Klimawandel für Hamburg (Frage 1) nach Geschlecht, so zeigt sich, dass die gefühlte persönliche Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels bei Frauen in unseren Umfragen im Trend überwiegend unter der von Männern liegt (mit Ausnahme der Jahre 2010 und 2016). In zahlreichen anderen Studien wurde bislang beobachtet, dass Frauen ein höheres Risikobewusstsein als Männer aufweisen (s. z.B. [1], [2], [3], [4], [5]). Auch wenn damit noch keine Aussage über die Qualität des Risikobewusstseins getroffen werden kann, würde man allerdings erwarten, dass die gefühlte persönliche Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels den gleichen Unterschied in Bezug auf das Geschlecht aufweist und auch bei den Studien in Hamburg die persönliche Betroffenheit bei den Frauen größer ist als bei den Männern. Erstaunlicherweise ist dies bei der Hamburger Befragung nicht der Fall. Dies unterstützt die Position von Hitchcock (2001), dass es wichtig ist, genauer hinzuschauen und den sozio-kulturellen und demographischen Kontext bei der Einschätzung Geschlechter-spezifischer Risikowahrnehmung mit zu berücksichtigen, was allerdings im Rahmen dieser Befragung nicht geleistet werden kann.

Abb. 4: Gefühlte persönliche Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels nach Geschlecht (2008-2018)

Abb. 4: Gefühlte persönliche Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels nach Geschlecht (2008-2018)

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Die größten Probleme in Hamburg

Die ab 2010 als Einstieg gestellte Frage nach den wichtigsten Problemen in der Stadt Hamburg sollte Aufschluss darüber geben, ob der Klimawandel generell als Problem der Stadt gesehen wird. Hier wurde deutlich, dass 2010 der Klimawandel für die Hamburger keine akute Bedrohung darstellte, sondern vielmehr tagesaktuelle Ereignisse die Wahrnehmung von Problemen dominierten. Mit Abstand am häufigsten wurde 2008 die Bildungspolitik (von 39% der Befragten) genannt. An zweiter Stelle folgten Verkehrsprobleme (29% der Befragten), an dritter Stelle der Bau der Elbphilharmonie (20%). 14% nannten die Finanzpolitik bzw. die finanzielle Lage der Stadt und 12% das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder als größtes Problem in Hamburg. Umweltthemen spielten bei der Frage nach den größten Problemen der Stadt eine untergeordnete Rolle: nur 3% nannten die Umweltpolitik bzw. die Umweltbelastung, 2% das geplante Kohlekraftwerk und ebenfalls 2% die Atompolitik. Das Wetter wurde spontan von 1% der Befragten genannt.

Im Jahr 2018 hat sich an der Wahrnehmung der größten Probleme nicht viel verändert. Vielmehr bestätigte sich, dass Hamburg-spezifische Angelegenheiten die BürgerInnen mehr beschäftigen als der Klimawandel. Seit 2011 sind die Themen Miete/Wohnraum, Verkehrsprobleme und Bildungspolitik auf den ersten drei Plätzen. Lediglich das Jahr 2015 brachte vorübergehend eine Änderung, in dem nach 32% Verkehrsprobleme, Platz 2 mit 30% das Thema Ausländer und Integration als größtes Problem für die Befragten in der Stadt einnahmen. Auch dies zeigt, wie vor allem Aktualität die Einschätzung der befragten Bürger bestimmt. So erlangte das Thema Elbvertiefung beispielsweise in den Jahren 2013 und 2017 jeweils 10%. Im Jahr 2018 hingegen waren Diesel-Fahrverbote und Abgas-Skandale aktuell, sodass die Umweltpolitik in diesem Jahr von 13% der HamburgerInnnen als Problem wahrgenommen wurde.

Die Betrachtung über eine Dekade hinweg zeigt deutlich, dass bei der offenen Frage nach Problemen für Hamburg dem Klimawandel keine unmittelbare Rolle zukommt, sondern Themen, die in der alltäglichen Lebenswelt der HamburgerInnen akut sind.

Der Abwärtstrend dreht sich

Ein beobachteter Abwärtstrend von 2008 bis 2011 bei der Einschätzung des Klimawandels und seiner potentiellen Folgen kehrte sich in den vergangenen Jahren wieder um. Die diesjährige Befragung in Hamburg zeigt, dass die Bedrohung durch den Klimawandel in Hamburg zunehmend stärker wahrgenommen wird und die Anzahl derer, die die Folgen bereits heute wahrnehmen, steigt. Dabei ist ein Auf und Ab in der Klimafrage kein auf Hamburg beschränktes Phänomen. Es ist nicht einmal „typisch deutsch“: seit 2007 ließ sich nahezu weltweit eine sinkende Tendenz in der Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung der Menschen beobachten (s. dazu auch: [7] Ratter, Philipp, v. Storch, 2012), aber seit 2011 ist wieder eine zunehmende Besorgnis bezüglich des Klimawandels sowohl in den USA, als auch in Hamburg zu verzeichnen. Im direkten Vergleich wird die Parallelität der Entwicklungen besonders deutlich (Abb. 5).

Abb. 5: Besorgnis bzgl Klimawandel in Hamburg und den USA im Vergleich (2008-2018)

Abb. 5: Besorgnis bzgl Klimawandel in Hamburg und den USA im Vergleich (2008-2018)

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2018 zeigt sich erstmals ein gegenläufiger Trend in Hamburg zu den Werten aus den USA. Während die Besorgnis über den Klimawandel in Hamburg um weitere 4% ansteigt, nimmt die Besorgnis in den USA ab und die Anzahl derer, die sich „stark“ oder „sehr stark“ sorgen, sinkt 2018 auf 63%. Die Autoren der diesjährigen Umfrage der US-amerikanischen [8] gallup erklären den Trend in den USA mit einer zunehmenden politischen Polarisierung des Themas, die unter anderem auf die Positionen des amerikanischen Präsidenten und den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzuführen ist. In der Studie wird u.a. angemerkt, dass die Begriffe „globale Erwärmung“ und „Klimawandel“ inzwischen von U.S. Regierungsseiten entfernt wurden.

Fazit

Klimawandelwahrnehmung hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur politische Einflüsse, sondern auch kontroverse Diskussionen in den Medien und persönliche Erfahrungen tragen zu spezifischen Wahrnehmungen bei. Für BürgerInnen in Hamburg ist das Problem des Klimawandels in ihrem Alltag durchaus präsent. Die Umfragen zeigen konstant, dass der Klimawandel für die Befragten ein „Problem“ darstellt. Allerdings lässt sich einschränkend feststellen, dass Klimawandel nicht das wichtigste Problem für die Befragten darstellt. Der Klimawandel wird vor allem mit subjektiv wahrgenommenen Umwelt- und Wetterveränderungen assoziiert, dies zeigen u.a. die zunehmenden Stürme in den letzten beiden Jahren. Mögliche
Auswirkungen des Klimawandels werden hauptsächlich mit Wetteränderungen und erst in zweiter Linie mit dem Anstieg des Meeresspiegels oder anderen Extremereignissen wie Überschwemmungen gleichgesetzt. Sturmfluten spielen hierbei in Hamburg eine besondere Rolle, weil sie auch einen wichtigen Faktor als Erinnerungsanker und Erfahrung mit Extremereignissen in der Vergangenheit darstellen (vgl. Ratter, 2017 [9]).

Insgesamt ergeben sich unterschiedliche individuelle Einstellungen und Bedeutungszuschreibungen zum Klimawandel, und diese sind dynamisch und verändern sich mit neuen Erfahrungen und neuen Informationen. Aber Informationen allein reichen nicht aus, um ein Engagement zu stimulieren. Information ist nicht mit Wissen gleichzusetzen und führt nicht zwangsläufig zum Handeln oder zur Umsetzung von Anpassungs- und Vermeidungsstrategien bzgl. des Klimawandels.

Die HamburgerInnen fühlen sich sicher – auch vor den Auswirkungen des Klimawandels. Warum also sein Verhalten ändern? Die neue Situation zu vermitteln, das Bewusstsein für die möglichen Risiken wachzuhalten und sich auf die Folgen des Klimawandels zeitnah einzustellen, sich also anzupassen, wird eine öffentliche und private Aufgabe sein, der sich die Hamburger zu stellen haben.

Autorinen
Autoren Ratter
Prof. Dr. Beate M.W. Ratter
ehemals: Institut für Küstenforschung
Abteilung Sozioökonomie des Küstenraumes (KSO)
Helmholtz-Zentrum Hereon

Lea Stumbitz
ehemals: Institut für Küstenforschung
Abteilung Sozioökonomie des Küstenraumes (KSO)
Helmholtz-Zentrum Hereon