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25.07.2013

Wahrnehmung des Klimawandels Klimawandel findet auch in unseren Köpfen statt. Jeder von uns nimmt das Thema je nach persönlichem oder beruflichem Hintergrund unterschiedlich wahr.

Klimawandel und Unternehmen

Der Klimawandel gewinnt angesichts seiner ökonomischen, ökologischen, gesellschaftlichen und politisch-rechtlichen Auswirkungen eine zunehmende Aufmerksamkeit in der Unternehmenspraxis. Dabei stehen Fragen des Klimaschutzes aber in der Priorität der Unternehmen deutlich vor der Anpassung an den Klimawandel und seinen Folgen. Ereignisse, die erst in einer Reihe von Jahrzehnten auftreten werden, sind für Unternehmen mit einem deutlich kürzeren Planungshorizont schwer zu berücksichtigen. Dennoch wird der Klimaanpassung auch in Unternehmen langsam mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

© urbancow/iStock

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Seit einiger Zeit ist die Wahrnehmung des Klimawandels und die Ermittlung und Analyse der klimawandelinduzierten Betroffenheiten von Unternehmen und Branchen auch Gegenstand zahlreicher quantitativer Erhebungen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Unternehmensbefragungen hinzuweisen, die auf regionaler Ebene im Rahmen der Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „KLIMZUG – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ durchgeführt wurden. Beispielsweise sind die Unternehmensbefragungen von „KLIMZUG-Nordhessen“ ([1] Freimann/Mauritz, 2010), „nordwest2050“ ([2] Fichter/Stecher, 2011) und „REGKLAM“ ([3] Stechemesser/Günther, 2011) zu nennen. Die bundesweiten Unternehmensbefragungen wurden bisher vorwiegend durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln vorgenommen.

In einer bundesweiten Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus dem Jahr 2011 gaben rund 61% der Befragten an, sich bereits mit dem Thema Klimawandel auseinander gesetzt zu haben. Knapp 36% nehmen die Klimafolgen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen für sich bereits als relevant wahr. Des Weiteren stimmten 58% der Unternehmen der Aussage zu, dass der Klimawandel in seinen unterschiedlichen Ausprägungen für sie künftig relevant werden könnte. Bei dieser Einschätzung spielen nicht nur die langfristig zu erwartenden Klimaveränderungen eine Rolle, sondern vielmehr auch die mit dem Klimawandel in Verbindung stehenden Extremwetterereignisse.

Bedeutung des Klimawandels für Unternehmen in Bezug auf direkte oder indirekte Klimafolgen
, Angaben in Prozent, Quelle: IW-Zukunftspanel 2011

Bedeutung des Klimawandels für Unternehmen in Bezug auf direkte oder indirekte Klimafolgen
, Angaben in Prozent, Quelle: IW-Zukunftspanel 2011

Auf der Unternehmensebene werden die Anpassungsentscheidungen und -prozesse von zahlreichen internen und externen Faktoren beeinflusst. Hierbei kommt der Betroffenheitssituation der Unternehmen eine zentrale Rolle zu. Dabei ist zwischen direkter und indirekter Betroffenheit zu unterscheiden. Direkte Betroffenheiten ergeben sich aus natürlich-physikalischen Klimafolgen, während die indirekten Betroffenheiten überwiegend aus marktlichen und regulatorischen Folgen des Klimawandels resultieren. Die Unternehmensbefragung des IW Köln zeigt, dass deutsche Unternehmen heute im In- und Ausland primär nicht direkt betroffen sind. Über Dreiviertel der Unternehmen erwarten gegenwärtig durch den Klimawandel für sich in einer direkten Form weder positive noch negative Auswirkungen. Eine direkte negative Betroffenheit durch natürlich-physikalische Klimafolgen zeichnet sich gegenwärtig lediglich bei rund 15% der Unternehmen ab, davon bei knapp 4% „stark negativ“. 8% erwarten dadurch aber auch positive Auswirkungen für sich. Die negative Betroffenheit durch Klimafolgen und Extremwetterereignisse ist bei der Logistikbranche (rund 21%), der sonstigen Industrie (19%) und der Bauwirtschaft (knapp 16%) ausgeprägter als bei anderen Branchen. Die Bauwirtschaft schätzt aber auch mit 13% ihre positive Betroffenheit vergleichsweise stärker ein als andere Unternehmen.

Direkte Betroffenheit durch natürlich-physikalische Klimafolgen (z.B. direkte Betroffenheit von Standorten durch Hochwasser, Stürme, Trockenheit, etc.), Angaben in Prozent, Quelle: IW-Zukunftspanel 2011

Direkte Betroffenheit durch natürlich-physikalische Klimafolgen (z.B. direkte Betroffenheit von Standorten durch Hochwasser, Stürme, Trockenheit, etc.), Angaben in Prozent, Quelle: IW-Zukunftspanel 2011

Die Erwartungen ändern sich, wenn die Zeitachse in die Überlegungen einbezogen wird. Um 2030 wird eine direkte negative Betroffenheit durch Klimafolgen und Extremwetterereignisse von rund 29% der Unternehmen – darunter sogar 7% „stark negativ“ – erwartet. Das entspricht einer Verdoppelung im Vergleich zu heute. Dabei sind in dieser Gruppe Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern überdurchschnittlich repräsentiert. Der Anteil derjenigen, die dadurch für sich positive Auswirkungen erwarten, steigt von heute 8 auf 11% um 2030. Hierzu gehören insbesondere die Bauwirtschaft (rund 13%) und die Elektronikindustrie sowie der Fahrzeugbau jeweils mit knapp 11%.

Im Rahmen einer Betroffenheitsanalyse lässt sich ermitteln, von welchen Klimafolgen und Extremwetterereignissen die Unternehmen betroffen sind oder eine Betroffenheit erwarten. Auch hierzu liefert die IW-Unternehmensbefragung wichtige Erkenntnisse. Dabei spielen zeitliche und räumliche Aspekte eine Rolle. Den Ergebnissen zufolge wird den verschiedenen Klimaereignissen und -folgen in Deutschland und im Ausland eine unterschiedliche Betroffenheitsrelevanz beigemessen. Wenn auch Klimafolgen primär negative Auswirkungen (Risiken) assoziieren, sind jedoch positive Auswirkungen (Chancen) nicht zu vernachlässigen.

Gegenwärtig fühlen sich fast die Hälfte der Unternehmen innerhalb Deutschlands von keiner Art von Klimaereignis und -folge häufig betroffen (negative und positive Betroffenheit). Bezogen auf die Betroffenen zeichnet sich ein zunächst überraschendes Ergebnis in Deutschland ab. Gut 27% der Unternehmen gaben an, gegenwärtig an erster Stelle verstärkt von Frost betroffen zu sein. Der Grund hierfür lässt sich in den kurz vor der Umfrage liegenden kalten Wintermonaten in Deutschland vermuten, in denen Schnee und Frost relativ lange Zeit das Straßenbild zahlreicher deutscher Städte und ihrer Umgebung prägten. Zu dieser Gruppe gehört fast die Hälfte der Unternehmen der Bauwirtschaft, meist mit einer Beschäftigungszahl von 9 bis 49 Mitarbeitern. Fast jedes vierte Unternehmen, davon überdurchschnittlich viele aus der Baubranche, gibt an, heute in Deutschland stark von Stürmen (25%), Starkregenereignissen/Hochwasser (24%) und an vierter Stelle vom Temperaturanstieg (23%) betroffen zu sein. Im Vergleich hierzu werden Hagel/verminderte Niederschläge im Sommer/Niedrigwasser und Blitzschlag jeweils mit 14, 13 und 11% eine untergeordnete Rolle zugesprochen.

Mit Blick auf die künftigen Einschätzungen ändert sich das Bild der Betroffenheit. Hierbei lässt sich eine pessimistische Erwartungshaltung erkennen. Nur jedes dritte Unternehmen macht von der Antwortmöglichkeit „keine“ bei der Frage nach der Betroffenheit durch die verschiedenen angegebenen Klimaereignisse um 2030 Gebrauch. Bezogen auf Deutschland steht der Temperaturanstieg mit 46% der Antworten an erster Stelle, gefolgt von Starkregenereignissen/Hochwasser (42%), Stürmen (38%) und Frost (35%). Dabei erwarten die Unternehmen der Bauwirtschaft, Logistik und sonstigen Industrie wie etwa Ernährungsgewerbe, Holz- und Papiergewerbe sowie Wasser- und Energieversorgung im Durchschnitt eine stärkere Betroffenheit.

Die eigene Betroffenheit durch die natürlich-physikalische Dimension des Klimawandels lässt die Formlierung einer Anpassungsstrategie sinnvoll erscheinen. Der enge Zusammenhang zwischen Anpassung und gegenwärtiger eigener Betroffenheit wurde auch bei dieser Unternehmensbefragung bestätigt. Fast jedes dritte Unternehmen, das angibt, dem Klimawandel mit einer Strategie der Klimaanpassung zu begegnen, sieht die Klimafolgen für sich bereits heute als relevant an.

Angesichts der geringen Betroffenheit durch natürlich-physikalische Auswirkungen des Klimawandels ist es auch nicht erstaunlich, dass die Unternehmen gegenwärtig auf den Klimawandel primär mit einer Strategie des Klimaschutzes reagieren (siehe auch Abbildung 1). Das ist bei 48% der Unternehmen der Fall. Im Vergleich hierzu begegnen dem Klimawandel 24% der deutschen Unternehmen mit einer Strategie der Anpassung an die möglichen Folgen wie Hitze, Starkregen und Stürme. Diese Unternehmen gehören überdurchschnittlich häufig der Bauwirtschaft (32%), der sonstigen Industrie, dem Papier- und Glasgewerbe (jeweils 29%) sowie der Logistik- und der Chemiebranche mit jeweils 26% an. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Unternehmen in der Zukunft auch im Hinblick auf die negative Betroffenheit von Lieferketten verstärkt Anpassungsmaßnahmen ergreifen werden.

Autor
Autoren Bardt
Dr. Hubertus Bardt
Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Quellen